Update: StVO Novelle und neuer Bußgeldkatalog aufgrund eines Formfehlers ungültig
Nach Ansicht von Rechtsexpert*innen ist die Ende April 2020 in Kraft getretene Verschärfung des Bußgeldkatalogs ungültig. Demnach seien sowohl die neuen Regelungen für Fahrverbote bei Geschwindigkeitsverstößen als auch die neuen Bußgelder unzulässig. Grund dafür ist eine Verletzung des Zitiergebots. Dieses schreibt vor, dass bei einer neuen Verordnung die entsprechende Rechtsgrundlage angegeben werden muss, die zum Erlassen der Verordnung ermächtigt. Dies sei bei der StVO Novelle unzureichend geschehen.
Nach Rechtsauffassung des ADAC führt dieser Formfehler dazu, dass sowohl die neuen Fahrverbote als auch die Bußgeldänderungen ihre Gültigkeit verlieren. Die neuen Verhaltensregeln in der StVO Novelle, die unter anderem zum Schutz von Radfahrenden in den Fokus setzen, seien dagegen nicht betroffen. Laut ADAC Verkehrspräsident Gerhard Hillenbrand biete der Fehler jedoch auch eine Chance: “Jetzt bietet sich die Möglichkeit, zu einem ausgewogenen Verhältnis von Delikt und Sanktionen zu kommen und ein stärker abgestuftes System zu entwickeln. Diese Chance sollten Bund und Länder gemeinsam nutzen.” Der ADAC hatte die neuen Regelungen bereits bei deren Inkrafttreten Ende April kritisiert.
Länder machen Änderungen an Bußgeldkatalog und StVO rückgängig
Einige Expert*innen sehen es sogar als denkbar an, dass nun die gesamte StVO Novelle unwirksam ist. Bisher herrscht hierzu allerdings noch keine Klarheit. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hatte seine Kolleg*innen in den deutschen Bundesländern allerdings bereits am 02.07. aufgefordert, wieder die alten Regelungen anzuwenden. Nach aktuellem Stand sind alle Länder dieser Forderung nachgekommen.
Verkehrsminister Scheuer hatte die neuen Regelungen bereits im Mai “unverhältnismäßig” genannt. Er hatte zudem angekündigt, die neuen Fahrverbotsregelungen ab einer Geschwindigkeit von 21 km/h innerorts und 26 km/h außerorts wieder zurücknehmen zu wollen. Diese waren neben weiteren Verschärfungen durch den Bundesrat zur StVO Novelle hinzugefügt worden. Das Bundesverkehrsministerium hatte die geänderte Verordnung dennoch in Kraft gesetzt.
Betroffene können Einspruch gegen Bußgelder einlegen
Der ADAC und Verkehrsrechtsexpert*innen raten Betroffenen, Einspruch gegen erhaltene Bußgeldbescheide einzulegen. Innerhalb der 14-tägigen Frist könne damit eine Änderung der Rechtsfolgen verlangt werden. Bei einem rechtskräftigen Bußgeldbescheid, bei dem das Fahrverbot noch nicht angetreten wurde, könne ein Vollstreckungsaufschub angestrebt werden. Bei einem bereits angetretenen Fahrverbot könne außerdem die Aufhebung der Strafe und eine Herausgabe des Führerscheins beantragt werden.
Klarheit über StVO und Bußgeldkatalog wird es wohl frühestens im Herbst geben. Bis dahin möchte Verkehrsminister Scheuer mit den Bundesländern einen Kompromiss gefunden haben. Einer neuen Regelung mit den notwendigen Änderungen müsste zunächst nochmals von Kabinett, Bundestag und Bundesrat zugestimmt werden. Angesichts der Kritik des Ministers an der Verordnung seines Ministeriums ist unklar, wie die Reform der Verkehrsreform genau aussehen wird.
Einen Überblick über alle neuen Regelungen in der StVO sowie die umstrittenen Änderungen am Bußgeldkatalog erhalten Sie in den folgenden Abschnitten.