Was bedeutet der WLTP für Autofahrer*innen?
- Durch das realitätsnähere Verfahren bietet der WLTP eine bessere Entscheidungsbasis beim Leasing oder Autokauf.
- Die EU-Kommission empfiehlt zum 1. Januar 2019 die Darstellung der Normwerte einheitlich umzustellen, um eine flächendeckende Vergleichbarkeit zu gewährleisten, wenn die ersten nach dem neuen Verfahren zertifizierten Fahrzeuge auf dem Markt sind.
- Für bereits zugelassene Fahrzeuge ändert der WLTP jedoch nichts.
- Einzige nennenswerte Änderungen betreffen die Kfz-Steuer, die anhand höherer Verbräuche berechnet werden soll. Durch die Einführung des neuen Prüfverfahrens wird damit gerechnet, dass allen Fahrzeugen ein höherer Verbrauch ausgewiesen wird.
- Das Finanz- und Umweltministerium will sich erst einmal die Veränderungen durch WLTP in der Realität anschauen, bevor beschlossen wird, die Steuer gegebenenfalls zu reduzieren.
Welche Auswirkungen hat der WLTP auf Fahrzeugbestellungen?
Automarken wie Skoda und VW stellen eine „Zusatzvereinbarung WLTP“ zur „verbindlichen Bestellung“ und zur Behandlung der Bestellung auf Grundlage des Modelljahres 2018. Dies gilt dann als noch zu bestätigende Vorbestellung, wenn die neuen Verbrauchswerte und CO2-Emissionswerte noch nicht mitgeteilt werden können. Derzeitige Bestellungen mit den möglichen Konfigurationen werden auf Basis des auslaufenden Modelljahres 2018 ausgefüllt. Sobald die Konfigurationsänderungen des Modelljahres 2019 bekannt sind, werden diese berücksichtigt. Bestellungen auf dieser Grundlage sind ausdrücklich nicht verbindlich, hinsichtlich der angegebenen Leistungs- und Ausstattungsmerkmale sowie den zum Modelljahr 2018 angegebenen Kraftstoffverbrauchswerten und CO2–Emissionswerten. Die Bestellung wird dann verbindlich, wenn rückbestätigt wird, dass die Bestellung des Fahrzeugs mit den (möglicherweise veränderten) Konfigurationen aufrechterhalten werden möchte. Die Rückbestätigung wird demnach notwendig, sobald die Konfigurationen für das Modelljahr 2019 sowie die nach dem neuen WLTP-Zyklus ermittelten Kraftstoffverbrauchswerten und CO2-Emissionswerten abschließend feststehen.
WLTP-bedingte Lieferengpässe möglich
- Wichtig zu wissen ist, dass es bei vielen Automarken zu Lieferengpässen kommen kann.
- Grund dafür ist die aufwendige Umstellung auf den neuen Prüfzyklus WLTP. “Normale Produktionsabläufe müssen umgeplant werden und die Fertigung mehrerer Modelle mit Benzinmotoren wird möglicherweise vorübergehend für den europäischen Markt gestoppt werden müssen, um diese schrittweise für die neuen EU-Messungen fit zu machen”, deutete BMW Chef Herbert Diess auf der jüngsten Hauptversammlung an.
- VW sagte aus, dass wenig nachgefragte Motor-Getriebe-Varianten mit dem Modelljahr 2018 auslaufen könnten. So soll es zum Beispiel den Allrad-Tiguan mit 150-PS-Diesel in Zukunft nur noch mit Doppelkupplungsgetriebe geben.
Was ist der Unterschied zwischen WLTP und NEFZ?
Der Kraftstoffverbrauch eines Autos richtet sich nach Fahrwiderständen: Masse, Luft- und Rollwiderstand. Das WLTP berücksichtigt physikalisch bedingte Fahrwiderstände so umfassend wie nie zuvor. Verbrauchsangaben sollen realistischer abgebildet werden als bei NEFZ.
Das WLTP-Prüfverfahren wird in zertifizierten Testlaboren durchgeführt. So sind die Messwerte einerseits stabil sowie reproduzierbar. Dies ermöglicht den direkten Vergleich verschiedener Autos. Umweltorganisationen und der Verband der Automobilhersteller (VDA) gehen von einem gesteigerten Verbrauchswert von 20 % aus.
Was ist neu durch WLTP? Die wichtigsten Fakten
- Ein Fahrzyklus definiert für jede Sekunde des Tests, welche Geschwindigkeit das Auto auf dem Rollenprüfstand fährt. Daraus ergibt sich das Geschwindigkeitsprofil.
- Der neue Zyklus ist gegenüber dem NEFZ-Verfahren länger: 30 statt 20 Minuten. Die Standzeit reduziert sich von 25% auf 13% und die gefahrene Strecke wird von 11 km auf 23 km verlängert.
- Dabei wird häufiger beschleunigt. Die Maximalgeschwindigkeit liegt nun bei 131 statt 120 km/h. Die höhere Durchschnittsgeschwindigkeit beträgt 46,5 statt 33,6 km/h. Die aufgewendete Energie und damit der Kraftstoffverbrauch steigen.
- Die zukünftige Messung findet an voll ausgestatteten Fahrzeugen statt. Die Ausstattung wirkt sich auf die Messwerte aus. Jedes Extra erhöht das Gesamtgewicht und damit die aufgewendete Energie. Bisherige Messungen wurden nur an Fahrzeugen mit Serienausstattung durchgeführt.
- Nun werden verschiedene Ausstattungsvarianten, verschiedene Karosserievarianten und Reifenvarianten mit individuellem Rollwiderstand WLTP-getestet. Testvorgaben für Temperatur und Beschaffenheit der Reifen wurden präzisiert, da die äußeren Faktoren den Kraftstoffverbrauch beeinflussen und sich in den beteiligten Ländern unterscheiden. So wird das Fahrzeug, statt in einem Temperaturkorridor von 20-30 Grad Celsius nun über einen definierten Zeitraum von 12 bis 36 Stunden in einer Klimakammer geprüft. Der WLTP-Test startet bei zunächst 23 Grad. Anschließend wird das Auto bei 14 Grad Celsius abgestellt, ohne dabei gekühlt zu werden (Natural Soak). Die Richtlinie von 14 Grad Celsius entstammt der europäischen Durchschnittstemperatur. Bisher konnten sich die Organisationen allerdings nicht darüber einigen, wie eine eingeschaltete Klimaanlage sich auf die Messung auswirkt. Deswegen bleibt der größte Verbrauch neben Sitz-, Lenkrad- und Scheibenheizung erst einmal außen vor.
Was ist die RDE?
- Zum WLTP kommt ein Realtest auf der Straße: RDE – Real Driving Emissions, da das weltweit einheitliche Leichtfahrzeuge-Testverfahren nur auf dem Rollenprüfstand misst. Mithilfe der RDE sollen Grenzwerte für Stickoxide und Partikelanzahl eingehalten werden, denn einige Schadstoffe wie Stickoxide können nur unter realistischen Fahrbedingungen ermittelt werden.
- Die RDE-Messungen erfolgen mit PEMS-Geräten (Portable Emission Measurement System, dt.: Tragbares Emissions-Messungssystem). Bei diesem Testverfahren ist kein fester Fahrzyklus vordefiniert. Den Tester*innen ist es erlaubt, jede Strecke zu fahren und beliebig zu beschleunigen. Außentemperatur, Windverhältnisse und Verkehrslage dürfen ebenso beliebig ausfallen.
- Durch Euro 6 in Verbindung mit RDE sollen laut den Erwartungen des VDAs die Luftqualitätsziele in Deutschland erreicht werden.
- Das ist das Ergebnis einer Studie des Aachener Forschungsinstituts AVISO in Zusammenarbeit mit der TU Graz und dem Heidelberger Umweltinstitut ifeu. Laut der Studie werden die Überschreitungen von Luftgrenzwerten durch den steigenden Marktanteil von Euro 6 und RDE gelöst werden können. Bis 2020 sollen die Luftwerte von Stickoxiden durch den natürlichen Flottenaustausch bereits um 17 % reduziert werden.
Kommen mit dem WLTP neue Grenzwerte?
- Bisherige Grenzwerte gab es vom Gesetzgeber nur für Labortests. Jetzt gibt es dank des WLPT erstmals auch Grenzwerte für die Straße. Dieser liegt deutlich höher: Das Auto darf bisher im RDE-Test bis zu 168 Milligramm Stickoxid ausstoßen, ab 2020 nur noch 120 Milligramm. Im Labortest lag der erlaubte Ausstoß pro Kilometer bei 80 Milligramm.
- Die neuen Grenzwerte sind ab dem 1. September 2017 für jedes Automodell und jeden Motortypen vorgeschrieben, welches ein Hersteller neu auf den Markt bringen möchte. Ab September 2018 gilt dies auch für alle Fahrzeug-Neuzulassungen (auch von bereits vorhandenen Modellen)
- Der Straßentest RDE wird ab September 2019 Pflicht.
- In Deutschland werden die Autos vom TÜV, der Dekra oder von einem anderen vom Kraftfahrtbundesamt (KBA) zugelassenen Instituten getestet. KBA-Mitarbeiter sind mitunter bei den Tests anwesend. Die europaweite Typenzulassung erfolgt ebenfalls vom KBA. Durchgeführt werden sollen unangemeldete „Kontrollen im Stile von Doping-Tests“, und zwar von „Fahrzeugen direkt aus der Produktion oder Fahrzeugen von Leihwagenfirmen.“
Wie werden Plug-In-Hybride WLTP-gemessen?
Deutliche Änderungen durch das neue WLTP-Prüfverfahren ergeben sich vor allem für Plug-in-Hybride. Fahrzeuge, die sowohl Verbrennungsmotor wie Elektroantrieb haben und extern nachgeladen werden können.
Plug-in-Hybride fahren den Test mehrmals. Zu Beginn des Prüfstandstests muss die Batterie vollständig aufgeladen werden. Der Testzyklus wird dabei so oft wiederholt, bis die Batterie leer gefahren ist. Anschließend erfolgt der Test mit leerer Batterie, welche ihre Antriebsenergie ausschließlich vom Verbrennungsmotor und durch die Bremsenergierückgewinnung generiert. Aus den Messungen wird schließlich der CO2– Mittelwert berechnet.
Wie realitätsnah ist der WLTP?
Ein wichtiges WLTP-Ziel für das World Forum for Harmonization of Vehicle Regulations ist, dass der Test repräsentativ für ein durchschnittliches Fahrverhalten ist. Ein Prüfstandstest unter definierten Rahmenbedingungen ist daher die einzige Möglichkeit, objektive und reproduzierbare Messergebnisse zu erfassen, damit die Verbrauchs- und Abgaswerte verschiedener Fahrzeuge unterschiedlicher Hersteller miteinander vergleichbar sind.
Dennoch ist das WLTP-Verfahren wie jeder Labortest nicht hundertprozentig realitätsnah. Fahrweise, Verkehrsfluss wie auch Wetter beeinflussen Verbrauch und Emissionen weiterhin stark. Mit bis zu 20 % Aufschlag verbucht die Fahrweise den größten Einfluss auf den Kraftstoffverbrauch. Auch ein „repräsentativer“ Test, wie das WLTP, kann nicht alle Faktoren berücksichtigen, welche sich in der Realität auf den Kraftstoffverbrauch auswirken. Doch ist das Verfahren deutlich näher an der Realität als das bisherige NEFZ-Verfahren.
Es fehlen jedoch immer noch weltweit vergleichbare Regelungen. Das WLTP gilt bisher nur in der EU, Großbritannien, Norwegen, Island, Schweiz, Liechtenstein, Türkei und Israel.
Erste Abweichungen finden sich in Ländern wie Japan, Südkorea, Russland, Australien und einer Reihe von Staaten im Mittleren Osten. Asien und Südamerika verbleiben beim NEFZ-Verfahren. Die USA, Brasilien und andere prüfen anhand anderer Zyklen. China verwendet das weltweit einheitliche Leichtfahrzeuge-Testverfahren nur als Testverfahren und will in Zukunft ein eigenes Messverfahren auf den Markt bringen.
Wie wird der WLTP eingeführt?
Eine Typengenehmigung erhalten neue Pkw-Typen in Europa ab dem 1. September 2017 nur noch bei gültigen CO2-Werten nach dem neuen weltweit einheitlichen Leichtfahrzeuge-Testverfahren. Ab 1. Sept. 2018 müssen alle Fahrzeuge (auch bereits vorhandene Modelle) nach dem weltweit einheitlichen Leichtfahrzeuge-Testverfahren geprüft werden. Damit nimmt die Europäische Union international eine Vorreiterrolle ein, um das neue Testverfahren vollständig in geltendes Recht umzusetzen. Auch in anderen Weltregionen wird das Testverfahren in teilweise modifizierter Form etabliert.
Fazit und Kritik am WLTP
In Europa fanden heftige Diskurse und Verhandlungen über die Einführung des weltweit einheitlichen WLTP-Leichtfahrzeuge-Testverfahrens statt. Die Kritik richtet sich vor allem auf die ausgehandelten Übergangsfristen und -lösungen der Industrie. So sind beispielsweise die Konformitätsfaktoren 2,1 (169 mg) und 1,5 (120 mg ab 2020) bei der RDE-Messung Folgen politischer Verhandlungen in der EU.
Auch für die CO2-Ziele der EU, die von den Herstellern einzuhalten sind, sowie für mögliche Strafzahlungen gilt der errechnete NEFZ weiter. Der ICCT (The International Council on Clean Transportation) erstellte bereits Berechnungen, wie sich der Wechsel zum neuen Zyklus auswirken könnte.
Das Institut vermutet, dass der CO2-Grenzwert von 95 g/km (NEFZ) einem Messwert von 100 bzw. 102 g/km beim WLTP-Zyklus entspricht, abhängig von der Temperatur beim Motorstart. Im Gegensatz zu den Erwartungen von VDA und anderen Verbänden liegt der Unterschied immerhin nur bei 10 %.
Der VCD, der ökologische Verkehrsclub Deutschland e.V., fordert zudem, dass die Kontrollen über die Testverfahren weg vom Kraftfahrzeug-Bundesamt (KBA) hin zum Umweltbundesamt gegeben werden.
Autofahrende profitieren dank WLTP in Zukunft von genaueren und realistischeren Verbrauchsangaben, die ein wichtiges Entscheidungskriterium beim Leasing darstellen. Inwieweit das Verfahren zukünftig verbessert oder ergänzt werden muss, wird sich im Realitätstest zeigen. Das WLTP-Testverfahren ist jedoch ein großer und wichtiger Schritt, da Autohersteller gezwungen werden, Technologien anzupassen und zu verbessern. Somit steigen die Anforderungen an die Abgasreinigungssysteme der Fahrzeuge und es muss ein größerer Aufwand betrieben werden, um sauberere Autos zu produzieren.
Im Ergebnis heißt dies aber auch, dass Verbraucher und Autofahrer ab dem 1. September 2018 bei Erstzulassungen des gleichen Modells mit höheren Kfz-Steuern rechnen müssen.
Da dies zu einer nicht von der Hand zu weisenden Ungleichbehandlung der Bürgerinnen und Bürger führt, wird für einen entsprechenden Anpassungsfaktor in der Steuerberechnungsgrundlage argumentiert.